Missionsprokura von der Heiligen Familie

Im Hochland von Papua-Neuguinea – Besuch einer Außenstation

Der Suzuki mit Vierradantrieb quält sich über die Naturstraße.
An Steigungen ist die Erde weggespült, so dass wir über dicke Steine und von Wasser stark zerfurchten Felsuntergrund rumpeln. Als wir zu einer Brücke kommen, müssen wir zuerst einmal die Holzbohlen zurecht legen, über die Pater Adam schließlich langsam den Wagen zur anderen Seite bugsiert. Aber das ist normal für ihn, der zusammen mit neun anderen polnischen Patres der Missionare von der Hl. Familie hier arbeitet.

Wir sind auf dem Weg zu einer Außenstation im Hochland von Papua-Neuguinea. „Die Wege hier sind schon ein Problem,“ erzählt er. „Manchmal nehme ich das Motorrad. Da muss ich höllisch achtgeben, um nicht zu stürzen. Einen Ort erreiche ich nur nach einem zweistündigen Fußmarsch. Man benötigt hier Zeit und gute Nerven, dazu körperliche Fitness.“

Als wir nach anderthalb Stunden die Außenstation erreichen, begrüßen uns einige Männer, die den Weg zum neu errichteten Pfarrhaus mit Natursteinen pflastern, die aus einem nahen Bachbett stammen. Eine Außentreppe führt zur Wohnung des Pfarrers im ersten Stock: eine Wohnküche, zwei kleine Schlafzimmer sowie WC und Dusche. Darunter das Pfarrbüro mit einem geräumigen Abstellraum. „Früher schlief ich in einer Buschhütte auf dem Boden, wie die meisten Einheimischen,“ erklärt Pater Adam. „Jetzt habe ich hier meinen eigenen Bereich, in dem ich schriftliche Arbeiten erledigen, mir etwas kochen und in einem normalen Bett schlafen kann. Das ist schon ein Fortschritt.“

In der Kirche hat sich inzwischen die Gemeinde eingefunden, auch die Kinder aus der nahen Schule sind gekommen. Es ist eine geräumige Buschkirche – eine Holzkonstruktion, deren Wände mit Matten aus Palmblättern verkleidete sind. Das Dach ist mit Wellblech gedeckt. Altar, Tabernakel und Lesepult sind aus Holz. Die Leute sitzen auf dem Boden, der mit Matten aus Palmblättern ausgelegt ist. Ein Raum, der zu Stille und Besinnung einlädt. „Der Bischof besteht darauf, dass die Leute ihre Kirche selber bauen,“ erzählt Pater Adam. „Das ist dann ihre Kirche, auf die sie stolz sind und die sie in Ordnung halten.“

Stammeskonflikte

Als ich später mit dem Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates spreche, ist es für diesen wichtig zu versichern, dass sie ein friedlicher Stamm seien, der Konflikte nicht gleich mit Gewalt zu lösen versuche. Das ist nicht überall so im Hochland von Papua-Neuguinea mit seinen vielen Stämmen und unterschiedlichen Sprachen. So gab es z. B. vor einem Jahr Streit zwischen zwei benachbarten Stämmen, wer der Eigentümer des neuen Pfarrzentrums sei, das auf der Grenze zwischen beiden Stämmen errichtet worden war und von dem aus beide betreut wurden. Der Streit eskalierte, so dass ein Stamm schließlich Kirche, Pfarrhaus, Schule und Ambulanzstation in Brand setzte.
Nun müssen sie selber zusehen, dass sie wieder eine Kirche und Schule erhalten, denn der zuständige Bischof weigert sich, dafür abermals Geld zur Verfügung zu stellen. Eine Erziehungsmaßnahme, die hoffentlich Früchte trägt.

Eine Gesellschaft im Umbruch

80 % der Bewohner des Landes gehören zu einer christlichen Kirche oder Sekte. Aber im Hochland hat das Christentum noch keine tieferen Wurzeln geschlagen. Viele Pfarreien bestehen erst seit gut 50 Jahren.

Denken und Empfinden der Menschen sind noch stark geprägt von der Steinzeitkultur, in der sie früher lebten. Die Begegnung mit der westlichen Zivilisation hat jedoch die traditionellen Lebensformen zerstört. „Vor allem die Männer sind davon stark betroffen,“ sagt mir der aus Italien stammende Bischof von Goroka, Francesco Sarego. „Die Frauen haben diesen Prozess besser überstanden. Sie konnten ihre Würde bewahren. Da sie wie früher die Hauptverantwortung für Kinder, Haus und Garten tragen, spielen sie nach wie vor eine entscheidende Rolle in der Familie. Viele Männer hingegen sind ohne feste Arbeit und fühlen sich nutzlos. Manche beginnen zu trinken und unter den Jugendlichen greift der Drogenkonsum um sich. Hier hat die Kirche eine wichtige Aufgabe, was Ausbildung der Kinder und Vermittlung von Verantwortung und Zusammengehörigkeit anbetrifft, die über die engen Grenzen Stammes hinausreichen. Zudem versuchen wir, die Werte der traditionellen Kultur zu stärken, auf die die Menschen stolz sein dürfen.“

Eine Buschschule

Schließlich geht Pater Adam mit mir zur etwa 500 Meter entfernten Schule – einer Ansammlung von mehreren Buschhäusern für acht Klassen. Hier werden 340 Kinder von zehn Lehrern unterrichtet. Nur für die älteren Schüler gibt es grob gezimmerten Stühle und Bänke, die jüngeren hocken auf dem Boden. Etwas entfernt stehen einige einfache Gebäude – die Wohnungen der Lehrer.
Manche Kinder müssen täglich bis zu anderthalb Stunden zu Fuß gehen, um zur Schule zu kommen. Andere leben die Woche über bei Verwandten, die in der Nähe der Schule wohnen. Man hilft sich gegenseitig, wird aber bei Gelegenheit auch eine entsprechende Gegenleistung einfordern.

„Dienstags ist Großreinemachen“, erklärt der Schulleiter stolz. „Die Kinder reinigen die Klassenräume. Ihre Eltern säubern das Schulgelände und putzen die Lehrerwohnungen.“ Lehrer sind eben Respektpersonen, mit denen man sich gut stellen muss.

Auf dem Weg zurück zum Pfarrhaus begleiten uns fünf Lehrer. Als ich Pater Adam später frage, ob diese nicht Unterricht halten müssten, sagt er: „So genau nimmt man das hier nicht. Man bleibt auch schon einmal einen Tag weg, wenn etwas anderes zu erledigen ist. Am ersten Freitag und Samstag im Monat fällt der Unterricht sogar ganz aus, weil die meisten sich zur Stadt aufmachen, um ihr Gehalt von der Bank abzuheben. Offiziell ist das natürlich verboten. Aber darum kümmert sich niemand. Auch der Schulleiter vermeidet, sich mit den Kollegen anzulegen. Ich bin froh, dass seit Beginn des Schuljahres eine Ordensschwester zum Kollegium gehört und auch Verwaltungsaufgaben erledigt. Sie besitzt Autorität, so dass sich der Unterrichtsausfall merklich verringert hat. Ja, Verantwortung und Verlässlichkeit sind in dieser Gesellschaft ein großes Problem.“
P. Ulrich Schmitz MSF