Missionsprokura von der Heiligen Familie

Eine Schwester setzt sich ein

Schwester Elisa ist voller Energie und hat noch manche Pläne. Obwohl über siebzig, denkt sie nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Die meiste Zeit ihres Lebens war sie als Lehrerin tätig. Nun baut sie in der Pfarrei „Guter Hirt“ in Caldas Novas, Zentralbrasilien, ein Sozialzentrum für Kinder und Jugendlichen auf.

Sozialer Brennpunkt als Herausforderung

Angefangen hat sie mit einer Suppenküche in diesem Stadtrandviertel mit seiner geballten Ladung sozialer Probleme. Um das Zentrum herum lungern Jugendliche, die nicht wissen, wie sie den Tag totschlagen sollen. „Arbeitslosigkeit, Drogen und Alkohol bilden eine gefährliche Mischung,“ sagt sie. „Diebstahl, Raub und Schlägereien sind an der Tagesordnung, manchmal gibt es auch Tote. Wenn es dunkel wird, tut man gut daran, zu Hause zu bleiben.“

Für Schwester Elisa ist das eine Herausforderung: „Man darf diese Jugendlichen nicht sich selbst überlassen, sondern muss ihnen attraktive Angebote machen.“ Der örtliche Rotary Club hat ihr zwölf Computer geschenkt für Ausbildungskurse. Aber sie weiß, wie wichtig es ist, den jungen Menschen in ihrem deprimierenden Alltag auch etwas für Gemüt und Herz zu bieten. So gibt es Handarbeitskurse sowie Tanz- und Theatergruppen.

Auf dem Hinterhof entstehen einige neue Räume, die von unserer Missionsprokura mitfinanziert werden. Einer ist vollgestopft mit alten, ramponierten Pulten, die Schwester Elisa irgendwo aufgetrieben hat, um die neuen Räumlichkeiten zu möblieren. In einem Schrank hat sie Musikinstrumente gesammelt. Demnächst möchte sie Musikstunden anbieten und ein kleines Orchester aufbauen. Denn sie weiß: „Selber Musik zu machen ist für diese jungen Menschen ein gutes Mittel, ihre oft verhärteten Seelen aufzubrechen und ihr Selbstwertgefühl zu stärken.“

Wohlwollen und Fürsorge

Am späten Dienstagnachmittag geht es hoch her in dem großen Mehrzweckraum des Zentrums. In einer Ecke hocken die Kleinen auf dem Boden und spielen mit Bauklötzchen. Andere springen Seil oder hüpfen und tanzen ausgelassen durch den Raum. Man spürt: Sie fühlen sich einfach wohl. Hier können sie sich ungestört austoben. Mir wird klar: Sie brauchen nicht viel Spielzeug. Was sie hierhin zieht, sind Offenheit, Verständnis, Wohlwollen und Fürsorge, die sie bei Schwester Elisa und ihren Helferinnen und Helfern finden. Natürlich freuen sie sich auch auf das warme Essen, das freiwillige Helfer aus der Nachbarschaft in zwei Schichten für etwa 150 von ihnen kochen.

Als es schließlich soweit ist, macht Schwester Elisa in Hände klatschend die Runde – und im Nu ist aufgeräumt. Sie hat eben Autorität, ohne viele Worte. Es wird ein Gebet gesprochen. Dann ist es überraschend still, als sich alle über die Teller mit dicker Nudel- und Gemüsesuppe hermachen. Die Zutaten erhält die Schwester von örtlichen Supermärkten – Lebensmittel mit abgelaufenem Verfallsdatum.

Sie scheut sich auch nicht, die Stadtverwaltung daran zu erinnern, ihrer Verantwortung für die Armen gerecht zu werden. Leider nicht immer mit Erfolg. Als sie den jährlichen Basar ausrichten wollte, ging sie auch zum Oberbürgermeister und bat um Hilfe. Nach langem Hin und Her war dieser schließlich bereit, einen geringen Zuschuss zu geben. Diesen lehnte die Schwester ab mit dem Hinweis, kürzlich habe er seinen Geburtstag groß gefeiert – mit vielen Gästen. Das hätte ein Vielfaches dessen gekostet, was sie nun für die Armen benötige. Sie ging mit leeren Händen nach Hause. Aber sie hatte einem der Mächtigen und Einflussreichen ins Gewissen geredet und deutlich gemacht, dass die Stadt die Armen nicht mit einem kleinen Almosen abspeisen darf.

Schließlich treffe ich einen Architekten, den Vorsitzenden des Rotary Clubs, der gelegentlich im Zentrum vorbeischaut. Ich sage ihm, wie beeindruckt ich sei von dem, was Schwester Elisa für diese Kinder aus armen Familien leiste. Er nickt und fügt hinzu: „Und das mit erstaunlich geringen Mitteln.“

  1. Ulrich Schmitz MSF

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